Das Stärkenspektrum

Bei meinen Recherchen für das Buch „Stärken neu Denken“ habe ich mich intensiv mit unterschiedlichen Definitionen des Begriffs Stärken auseinandergesetzt. Ich habe die englische und deutschsprachige Fachliteratur und Selbsthilferatgeber gesichtet und bin auf eine Vielfalt von Beschreibungen und Definitionen von Stärke gestoßen. Dass ich dabei kein einheitliches Verständnis oder eine allgemeingültige Begriffsbestimmung gefunden habe, hat mich zwar nicht überrascht, aber doch etwas frustriert, da ich unbedingt eine klare Aussage darüber haben wollte, was denn nun genau Stärken sind.

Natürlich gibt es Überschneidungen und Ähnlichkeiten in den Beschreibungen, was Stärke ausmacht: Es geht vor allem um Talente, Fähigkeiten, Werte, persönliche Eigenschaften und Charakterstärken von Menschen. Oftmals geht es auch um personelle Ressourcen und teilweise um Interessen und Wünsche. Dennoch: Die Thematik ist anscheinend zu komplex für eine einfache Definition und eine starke Reduzierung. Und eine Aussage wie „Stärke ist eine innere Antriebskraft“ wäre auch so allgemein, dass sie fachlich wenig aussagekräftig wäre.

Ich weiß nicht mehr genau, wann und wie ich auf die Idee kam, Stärken als ein Spektrum zu sehen und nicht mehr zu versuchen, alles in eine kurze Definition zu stopfen. Aber ich merkte schnell, dass es sehr hilfreich ist, die unterschiedlichen Facetten von Stärke in ihrer Vielfalt zu sehen. Was aber genau bedeutet es, wenn von einem Stärkenspektrum die Rede ist? – Unter einem Spektrum wird in der Physik eine Verteilungsfunktion verstanden. Es geht also bspw. um die Zusammensetzung von unterschiedlichen Lichtwellen, die ein Farbspektrum ausmachen. In der Bildungssprache wird der Begriff Spektrum hingegen im Sinne von Bandbreite verwendet. Es geht hierbei also um eine Vielfalt, einen Reichtum an bestimmten Dingen.

Da der Stärkenbegriff in der Fachliteratur auf so unterschiedliche Weise ausgelegt wird, scheint mir der Begriff Spektrum passend, da es ja um die Erkundung und Abbildung einer Vielfalt von Stärken geht. Da ich gerne Sachverhalte systematisiere, habe ich das Stärkenspektrum in drei Kernbereiche unterteilt:

  • Charakterstärken sind unsere Werte im Einsatz. Sie sind unser innerer Kompass für unser Denken und Handeln.
  • Bedürfnisse sind das, was wir wollen. Sie sind unsere Antriebskräfte.
  • Talente und Fähigkeiten sind die Dinge, die wir gut können und die uns Spaß machen.

Diese drei Bereiche müssen nicht trennscharf voneinander separiert werden, vielmehr geht es um die Überlappungen. Denn Ziel der Stärkenarbeit ist es, herauszufinden, welche Stärken Menschen haben, welches ihre Lieblingsstärken sind und wie diese Stärken optimal zusammen interagieren können.

Das Zusammenspiel von Lieblingsstärken, der sogenannte Stärken-Sweetspot, bestimmt erheblich unsere Motivation. Der Stärken-Sweetspot ist wie ein Kraftfeld, aus dem wir Energie für unsere Tätigkeiten ziehen können. Es lohnt sich daher, Zeit in die Erkundung der eigenen Stärken zu investieren. Je geübter jemand in der Selbstreflexion ist, desto leichter und schneller wird diese Erkundung gelingen. Aber auch wenn es etwas länger dauern sollte, lohnt sich die Mühe auf alle Fälle, denn eine Klarheit darüber, was unsere persönlichen Lieblingsstärken aus dem Stärkenspektrum sind und wie sie gut zusammenspielen, wird uns dabei helfen, mit unseren Schwächen besser umzugehen.

Eine weiterführende Beschreibung der drei Bereiche ist in meinem Buch „Stärken neu Denken“ zu finden. Für eine selbstständige Stärkenerkundung wurde zudem im HAWK-Stärkenlabor ein Arbeitshelft entwickelt.