Fünf gute Gründe, Case Management umzusetzen

Anfang der 1990er-Jahre lernte ich im Studium in einem Seminar von Prof. Dr. Michael Wissert Case Management kennen. Für mich war das damals ein Lichtblick, etwas Konkretes, und ich war froh, kurze Zeit später im Berufspraktikum auf das Handlungskonzept Case Management zurückgreifen zu können. Auch für meine spätere Tätigkeit im Krankenhaussozialdienst hatte ich durch das Case Management einen Orientierungsrahmen, der mir dabei half, meine Arbeit zu strukturieren. Zudem hatte sich in meinem Kopf das Vorhaben festgesetzt, konzeptionelle Ideen darüber zu entwickeln, wie auf der Systemebene (also in Organisationen und Versorgungsystemen) Klient*innen bzw. Patient*innen besser, also passgenau zu ihren Bedarfen und Bedürfnissen, versorgt werden können und wie diese Unterstützung besser organisiert werden kann. Dieses Motiv beschäftigte mich sogar so sehr, dass ich dazu meine Doktorarbeit schrieb.

Seit über 25 Jahren befasse ich mich nun damit, was Case Management ist, welche Methoden hilfreich sind und wie sich das Handlungskonzept oder CM-Ansätze gut in der Praxis umsetzen lassen. Nach wie vor bin ich überzeugt, dass CM viel zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit beiträgt –  wenn Konzepte nicht unkritisch übernommen werden und  es eine klare theoretische Rahmung sowie Leitgedanken und Arbeitsprinzipien gibt, die den Case Manager*innen eine Rollenklarheit und eine eindeutig personenzentrierte Haltung ermöglichen.

Hier sind meine fünf Gründe, warum die Umsetzung von CM sinnvoll ist:

  1. Die Umsetzung von CM führt zur Systematisierung von Arbeitsabläufen und zur fachlichen Ausrichtung von Arbeitsweisen, sodass es klare Strukturen und Zuständigkeiten gibt.
  2. Die Orientierung an Handlungskonzepten bzw. an Prozessen und der Einsatz eines festen Sets an Instrumenten schafft Verfahrenssicherheit und führt zu Erfolgen. So zeigte beispielsweise die Heroin-Studie, dass die Erfolge im CM und der Profit der Klient*innen umso höher sind, je mehr sich die Fachkräfte an dem Phasenmodell orientieren und je öfter sie insbesondere eine Hilfeplanung durchführen (vgl. Schmid, Schu und Vogt 2012: 25).
  3. Der Einsatz eines festen Sets an Methoden ermöglicht es Fachkräften, sich auf Beziehungen zu konzentrieren. Beispielsweise können Instrumente wie das Stärken-Assessment und der Persönliche Entwicklungsplan eine personenzentrierte Ausrichtung in der Zusammenarbeit mit den Klient*innen unterstützen (vgl. Rapp & Goscha 2012).
  4. Die Auseinandersetzung mit Case Management kann die innerorganisationale Fachlichkeit erhöhen, indem eine Klärung von Rollen und Aufgaben erfolgt. Zudem kann CM in einem interdisziplinären Kontext das Sprechen einer gemeinsamen Sprache fördern.
  5. Case Management ist Qualitätsmanagement, denn die systematische Bearbeitung von komplexen Fällen innerhalb der differenten Arbeitsphasen wird mithilfe unterschiedlicher Instrumente kontinuierlich dokumentiert.

Empirisch zu beweisen, dass CM effizient ist, ist aufgrund der Vielzahl an CM-Programmen in den unterschiedlichsten Einsatzfeldern nur bedingt möglich. Aus der Studienlage lässt sich jedoch schlussfolgern, dass die koordinierende und vermittelnde Funktion von Case Management dazu beiträgt, Menschen an die für sie passenden Dienste zu vermitteln und die Lebenssituation von Menschen zu verbessern (vgl. Schmid & Ehlers 2016: 101).

Wie überzeuge ich meine Kolleg*innen oder meinen Chef vom Case Management?

Nachdem ich verdeutlicht habe, dass die Umsetzung von CM sinnvoll ist, da sowohl die Klient*innen/Patient*innen, als auch die Praktiker*innen und die Organisationen davon profieren, möchte ich noch einige Tipps geben, wie Entscheidungsträger*innen von der Implementierung des Case Management überzeugt werden können.

  • Verdeutlicht anhand eines Fallbeispiels, warum CM sinnvoll ist. Stellt dazu eine komplexe (und im Vorfeld anonymisierte) Fallsituation kurz dar und beschreibt, welche Probleme mit der Bearbeitung verbunden sind, indem Ihr bspw. auf die folgenden Fragen eingeht: Welche Schnittstellenprobleme bestehen? In welchen Bereichen besteht das Risiko, dass hohe Kosten entstehen bzw. viele Ressourcen eingesetzt werden müssen oder dass die Interessen der Klient*innen nicht gewahrt werden können? Legt dann dar, wie genau CM bei diesen Problemen helfen kann.
  • Klärt darüber auf, mit wie vielen Fällen die Mitarbeiter*innen durchschnittlich betraut sind und wie viele dieser Klient*innen eine umfassende Beratung benötigen. Geht dabei auch darauf ein, wie hoch der Anteil von Fällen ist, in denen eine Koordination von Unterstützungsmaßnahmen von erforderlich ist.
  • Fangt klein an. Nicht immer ist eine umfangreiche Konzeptentwicklung nötig, in die viele zeitliche und personelle Ressourcen fließen. Am Anfang könnte auch ein ein Kurzkonzept ausreichen, d.h. eine Skizze, in der die Ziele, die Zielgruppe und das Vorgehen umrissen wird.
  • Findet Verbündete für die eigenen Ideen und nennt diese im Gespräch. Überlegt dazu im Vorfeld: Welche Kolleg*innen haben auch Interesse an Veränderungen? Welche Fachgruppen beschäftigen sich mit diesem Thema/Arbeitsfeld? Und bedenkt dabei, dass ihr nicht nur eine emotionale „Rückenstärkung“ braucht, sondern dass auch ein fachlich fundiertes Feedback durch die Mitstreiter*innen wichtig ist.

Letztendlich geht es bei der Umsetzung von Case Management darum, Arbeitsweisen überall da, wo es sinnvoll ist, zu systematisieren und die Verbindungen zwischen der Fall- und der Systemebene konsequent im Arbeitsalltag mitzudenken. Berücksichtigt werden sollte, dass eine vollständige Implementierung von Case Management Zeit erfordert und einen langfristigen Entwicklungsprozess bedeutet. Wichtig in diesem Prozess ist, mit Bausteinen aus dem CM anzufangen – das kann auf der Fallebene oder auf der Systemebene sein – und dann die CM-Ansätze kontinuierlich auszubauen. Weitere Tipps zu Implementierung sind hier zu finden.