Was bedeutet eigentlich Stärkenarbeit?

Stärkenarbeit ist die prozessuale, differenzierte Erkundung von Stärken in unterschiedlichen Bereichen und die Reflexion des Zusammenspiels der unterschiedlichen Stärkenbereiche. In der stärkenfokussierten Zielarbeit werden Ziele formuliert, die Menschen zum Handeln veranlassen und die ihr Wohlbefinden verbessern. Dabei werden Stärken konsequent eingesetzt und Ressourcen aktiviert.

Damit Stärkenarbeit in einem komplexen Arbeitsalltag gelingen kann, ist eine Orientierung an Arbeitsmodellen und der Einsatz von konkreten Methoden hilfreich. Das Modell der Stärkenarbeit basiert auf Theorien aus der Pädagogik, der Psychologie und den Sozialarbeitswissenschaften und dient als ein Grundgerüst für die praktische Arbeit, denn in dessen Rahmen kommen wissenschaftlich entwickelte sowie kreative Methoden zum Einsatz.

Von besonderer Bedeutung ist hier mein Stärkenmodell, das in Anlehnung an Saleebey (2013) und Niemiec (2017) drei Elemente beinhaltet:

Staerkenmodell

  • das Einnehmen des Stärkenblicks (Wahrnehmen),
  • das Erkunden und Entfalten von Stärken und
  • das Fokussieren, also die Formulierung und Umsetzung von Zielen.

Im ersten Schritt geht es darum, bewusst die Stärkenperspektive einzunehmen und ein stärkenorientiertes Mindset zu festigen. Die Haltung der*des Nichtwissenden sowie die Fähigkeit zu beobachten ohne zu werten stehen hierbei im Vordergrund.

Im zweiten Schritt wird mithilfe des Stärkenspektrums eine differenzierte Einschätzung der unterschiedlichen Stärkenbereiche (Charakterstärken, Bedürfnisse und Fähigkeiten) vorgenommen. Dabei werden zunächst die drei Stärkenbereiche separat unter die Lupe genommen, dann werden wichtige Stärken (Lieblingsstärken) ermittelt und anschließend werden diese Lieblings- oder Signaturstärken in ihren Wechselwirkungen betrachtet.

Im dritten Schritt, in der Zielarbeit, geht es darum, Stärken zu kultivieren und gezielt im Alltag einzusetzen. Mithilfe einer Leidenschaftserklärung werden persönliche Ziele formuliert, und es wird geplant, wie diese Ziele in kleinen Schritten erreicht werden können.

Diesem Vorgehen liegt der Grundsatz der Stärkenarbeit zugrunde, der besagt, dass es darum geht, Stärken zu stärken, also mehr Energie in das Entfalten von Stärken als in das Beheben von Schwächen zu investieren.

Vor 30 Jahren haben Saleebey und Kolleg*innen an der University of Kansas für die Soziale Arbeit Leitgedanken formuliert, die sich inzwischen international etabliert haben. Folgende Leitgedanken zeichnen die Stärkenarbeit insbesondere aus:

  • Alle Menschen haben Charakterstärken, Fähigkeiten und Bestrebungen.
  • Stärken sind individuell einzigartig und hängen vom Kontext ab.
  • Stärken sind eine innere Treibkraft und aktivieren Ressourcen.
  • Stärkenarbeit unterstützt Menschen in ihrer Selbstbestimmung und ihrem Selbstmanagement.
  • Stärkenarbeit bezieht die Lebenswelt von Menschen ein, denn jedes Umfeld bietet Gelegenheiten und Möglichkeiten (Ressourcen).

Elemente der Stärkenarbeit können grundsätzlich als niedrigschwellige Ansätze in unterschiedlichen Situationen der Einzel- und Gruppenarbeit zum Einsatz kommen. Die Stärkenarbeit kann zudem entweder standardisiert durch Assessments in therapeutischen Settings oder aber im Rahmen von Case Management (CM) erfolgen. Sinnvoll ist aber auch ein flexibles Vorgehen, bei dem individuelle Stärken punktuell erkundet werden. Denn insbesondere die Stärkenerkundung sollte ein integraler Bestandteil der Beratung und Unterstützung von Menschen sein. Hier kann z. B. ein Stärkenfokus helfen, zu Beginn einer Zusammenarbeit die Selbstwirksamkeit zu erhöhen und somit die Zusammenarbeit zu stärken. Wichtig ist jedoch, dass Stärkenarbeit immer bei einem selbst anfängt. Bevor andere Menschen unterstützt werden, sollten sich Fachkräfte daher ihrer eigenen Stärken sicher sein.

Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Was sind Ihre Stärken? Und wie setzen Sie sie in der Arbeit ein? – Wenn Sie an diesen zwei Fragen arbeiten möchten, können Sie uns gerne im Stärkenstudio besuchen. Denn im Stärkenstudio bieten wir in unterschiedlichen Formaten wissenschaftlich begründete und kreative Methoden der Stärkenarbeit für Profis.

Falls Sie sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten, habe ich zudem einige Buchempfehlungen:

Mendenhall, A. & Carney, M. (Hg.) (2020): Rooted in Strengths: Celebrating the Strengths Perspective in Social Work. Lawrence: University of Kansas Libraries: Jubiläumsausgabe zum 30-jährigen Bestehen der Stärkenperspektive. Impulse für den Einsatz von Stärkenarbeit in unterschiedlichen Arbeitskontexten der Sozialen Arbeit.

Robinson, K. & Aronica, L. (2009): The Element. How finding you Passion changes Everything. New York: Peguin Books: Die Stärkenperspektive im pädagogischen Bereich. Robinson und Aronica plädieren dafür, die Leidenschaften von Menschen und insbesondre von Kindern im Bildungsbereich zu fördern. Eine Herausforderung zum Perspektivwechsel.

Storch, M. & Krause, F. (2017): Selbstmanagement – ressourcenorientiert. Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM). 6., überarbeitete Aufl. Bern: Hogrefe: Grundlagen für eine stärkenorientierte Zielarbeit. Auf neurowissenschaftlichen und motivationspsychologischen Erkenntnissen basierende Methoden für die Entwicklung von Haltungszielen